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Eröffnungskonzert – Schuberts Sehnsüchte

12.07.2024 , Freitag

Seit mehr als einem halben Jahrhundert bringen Philippe Herreweghe und sein Collegium Vocale Gent die Welt der Chormusik zu Momenten der Vollendung. Immerwährend höchster Anspruch und strahlende Klangwucht zeichnen das musikalische Gespann aus. So lag der Gedanke nahe, die Festivaleröffnung mit genau dieser herausragenden Besetzung zu bestreiten, schliesslich steht das diesjährige Programm unter dem Themenschwerpunkt der «Transformation», also dem Streben nach Weiterentwicklung und dem Absoluten. Es ist jene Suche nach Perfektion, die Antrieb für ein Leben im ständig kreativen Prozess ist und die Weitergabe von Harmonie, Schönheit und Emotionen ermöglicht. Womit liesse sich diese Leidenschaft besser ausdrücken als durch die Werke Schuberts? Schubert wusste in seinem kurzen, aber intensiven Leben die von seinen Vorgänger*innen überlieferten Formen zu veredeln: sei es in den Messen, in denen er sich als würdiger Nachfolger der Meister Haydn oder Mozart behaupten konnte, oder in seinen Sinfonien, mit denen er, ohne sich gänzlich von den formalen Vorgaben des 18. Jahrhunderts zu lösen, die Ausdruckskraft völlig entfesselte und damit den Auftakt zur grossen Strömung des Sturm und Drang geben konnte. Die «Unvollendete» ist aus gleich zwei Gründen ein strahlendes Beispiel aus jener Zeit: Wir erleben den Kontrast zwischen einem aufwühlenden ersten und einem himmlisch klaren zweiten Satz. Die «Unvollendete» ist allerdings auch in einem Schöpfungsprozess entstanden, in dem Schubert die Arbeit zur Seite legte und sich nicht in der Lage sah, das Werk in einem Atemzug zu vollenden – welch unstillbarer Durst nach Perfektion!